Feinstaubmessung im Bierzelt
Veröffentlicht von Udo Hattwig   
Mittwoch, 10 August 2005

Feinstaubmessung der MIM

Die Münchner Abendzeitung griff am 5. August die Forderung der NIM nach einem rauchfreien Bierzelt auf der Wiesn auf. In durchaus ansprechender Weise wurden einige der vorgebrachten Argumente den Lesern nahegebracht. Unerfreulich war jedoch, dass ausgerechnet der bayerische Gesundheitsminister Schnapp- auf angesichts eines internationalen Festes mit Millionen Besuchern von einem "missionarischen Übereifer" sprach.

ImageDagegen wich die in München für den Fremdenverkehr zuständige Referentin Gabriele Weishäupl von ihrer vor vier Jahren eingenommenen harten Gegenposition ab. Jetzt könne sie sich freiwillige Raucheinschrän- kungen in bestimmten Bereichen der Zelte vorstellen. Möglichkeiten für weniger Tabakqualm sehe sie vor allem an den beiden Familientagen (Dienstag).

Zur Erinnerung: 42,3 Prozent der 2001 im Auftrag der NIM vom Umfrageninstitut Klaus Peinelt GmbH befragten volljährigen Bevölkerung in München und den benachbarten Landkreisen würden beim nächsten Wiesn-Besuch in ein rauchfreies Bierzelt gehen. Nur 34,8 Prozent dagegen antworteten mit Nein (18,1 Prozent gehen in kein Bierzelt, 4,9 Prozent gaben keine Antwort). Das heißt: Rund 800.000 von den 2 Millionen Bürgern in München und Umgebung würden entweder "bestimmt" oder "eher ja" ein rauchfreies Bierzelt auf der Wiesn besuchen.

Die NIM will die eindeutige Mehrheit für qualmfreie Verhältnisse auf dem weltweit größten Volksfest auch Realität werden lassen. Nach Redaktionsschluss dieses NIM-Kuriers wird sie zusammen mit dem Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit Feinstaubmessungen in Wiesn-Zelten vornehmen, mit denen gezeigt werden kann, wie schadstoffreich die Luft in Bierzelten ist, wenn darin geraucht wird.

So sollte es immer sein: Messergebnis veröffentlicht: Dicke Luft auf der Wiesn - Hohe Feinstaubbelastung in Zelten Wiesn-Bedienungen mit Gasmaske - Hohe Rauchbelastung in den Festzelten - Nichtraucherverband für Konsequenzen - Wirte dagegen --

Von ddp-Korrespondent Arno Siegemund -- München (ddp-bay). In den Wiesn-Zelten auf dem Münchner Oktoberfest herrscht dicke Luft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Partikel-Messung der Münchner Nichtraucher-Initiative(NIM). Demnach wurden in mehreren Wiesn-Zelten die EU-Grenzwerte zur Feinstaubbelastung zum Teil um das Sechsfache über- schritten. Der Chef des Münchner Verbandes und Vizepräsident der Nichtraucherinitiative Deutschland, Ernst-Günther Krause, spricht von "erschreckenden Ergebnissen". Das Partikelmessgerät zeigte mehrfach Werte von bis zu 300 Mikrogramm pro Kubikmeter an - der Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm. Vorgenommen hat die Messungen Professor Dr. Friedrich Wiebel vom bundesweiten ärztlichen Arbeits- kreis "Rauchen und Gesundheit".

Er sieht erhebliche Gefahren für die Besucher und vor allem für die Bedienungen, die acht und mehr Stunden durch die verrauchte Luft laufen müssen. "Die Wiesn-Kellnerin ist um ein vielfaches stärker belastet als der Polizist an der vielbefahrenen Landshuter Allee", klagt Wiebel. Der Toxikologe erklärt dies auch mit der Größe der Partikel. Im Tabakqualm sind seinen Angaben zufolge die Teilchen kleiner und können sich so viel leichter in den Atemwegen und der Lunge ablagern.

Auch die große Höhe des Festzelts bringe da keine Erleichterung, sagt Wiebel. Die Rauchbelastung sei genauso wie in den Kneipen. Etwa 40 giftige Subtanzen wie Benzpyren oder Blausäure sind im Qualm enthalten. Der Professor verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine US-Studie, wonach im Gastronomiegewerbe die Gefahr an Krebs zu erkranken etwa doppelt so hoch ist, wie bei anderen Arbeitnehmern. Der Mediziner betont: "Auch ein Mundschutz würde keinen Sinn machen, da müssten die Kellnerinnen schon mit der Gasmaske herumlaufen, um den Tabakrauch fernzuhalten." Für ihn ist der Qualm das reinste "Kampfgas". Passivrauchen sei lebensgefährlich.

Deshalb fordert die Nichtraucherinitiative für das nächste Jahr ein rauchfreies Wiesn-Zelt. Verbandschef Krause: "Das könnte die neue Attraktion auf dem Oktoberfest werden - ein Exempel auch für anderen große Volksfeste", gibt er sich optimistisch. Hier müssten sich die Stadt und die Betreiber zusammen- setzen und eine Lösung finden. Was in Italien, Irland und Norwegen gehe, müsste auch in Deutschland funktionieren, ist sich Krause sicher.

Doch da hat er die Rechnung ohne die Wiesn-Wirte gemacht. Hier herrscht große Skepsis. Wirte-Sprecher Toni Roiderer hat wenig Verständnis für die Forderung und sieht die bayerische Gemütlichkeit in Gefahr. "Wen der Rauch stört, der kann sich ja draußen hinsetzen." Roiderer sieht die Gesundheit der Besucher und Bedienungen "für die 16 Tage im Jahr" nicht beeinträchtigt.

Der Chef des Hacker-Zelts verweist dabei auf die modernen Abluftanlagen. Er selber ist stolzer Besitzer eines "Cabriodachs", mit dem Roiderer für optimale Entlüftung sorgt. "Ich gehe davon aus, dass mir das schon im nächsten Jahr einige Kollegen nachmachen werden", erklärt der Wirte-Sprecher. Auch rauchfreie Boxen in den Zelten machen nach Roiderers Ansicht keinen Sinn, da sich der Qualm auch dorthin ausbreitet. Die Chancen für ein Nichtraucherzelt sieht Roiderer eher gering. Hier sei "die Stadt am Zug" - die müsse ein weiteres Zelt genehmigen.

Die gesundheitliche Belastung durch den Rauch kann auch Kellnerin Vroni Egger bestätigen. Die Süd- tirolerin ist vom Tabakqualm genervt. "Wenn es richtig voll ist, dann ist es schon schlimm - das geht dann richtig auf die Bronchien". Ein rauchfreies Wiesn-Zelt wäre für sie eine "gute Alternative". Bei den Besuchern gehen die Meinungen auseinander. Die Befürworter eines Nichtraucherzelts beklagen neben der gesundheitlichen Gefahr auch den Gestank und Brandlöcher in den Klamotten.

Die meisten halten ein Rauchverbot oder ein Nichtraucherzelt für nicht durchführbar. "Da könnte man gleich über ein Bierverbot nachdenken", gibt ein genervter Zigarrenraucher zu Bedenken. Nach einer repräsentativen Umfrage des Peinelt-Instituts im Auftrag der Münchner Nichtraucherinitiative begrüßt eine Mehrheit der Befragten ein rauchfreies Wiesn-Zelt. 42,3 Prozent würden ein neues Wiesn-Zelt für Nichtraucher besuchen. 34,8 Prozent lehnen diesen Vorstoß allerdings ab.

Letzte Aktualisierung ( Sonntag, 01 Oktober 2006 )